Donnerstag, 8. November 2012

eggs and books



Eier und Bücher sind Produkte der Drucklegung. Dabei ist der Druck der unumgängliche Akt der Hervorbringung bereits zur Reife gediehener Erzeugnisse. Der Druck, der die Hervorbringung eines Eies gewährleistet, ist die Kraft, die sich in sinnreichen Muskelkontraktionen, der Druck, der dagegen die Hervorbringung eines Buches gewährleistet, ist die Kraft, der sich in sinnreichen Hebelkontraktionen umsetzt.
Das Huhn, beziehungsweise der Drucker müssen drücken, um zu legen. Sie müssen den Widerstand, den der gedrückte Körper, in einen Falle das Ei, im anderen Falle das Buch, dem Muskel- beziehungsweise dem Hebelinstrumentarium entgegensetzt, notfalls mit Nachdruck überwinden.
Ein sorgfältig gelegtes einzelnes Ei und ein sorgfältig verlegtes einzelnes Buch stehen der Massenproduktion von Eiern und Büchern entgegen. Es kommt nicht zu Remittenden. Während die Ausschussware hässlich und geschmacklos, aussen und innen, ist das Spitzenprodukt schön von aussen, und es schmeckt von innen heraus. Beide, Ei und Buch, sorgfältig herausgebracht, sind schön und schmecken. Keine anderen Erzeugnisse sind der Kategorie des Geschmacks folgenschwerer unterworfen als das Ei und das Buch: Ein hässliches und geschmackloses Ei und ein hässliches und geschmackloses Buch rufen Abscheu hervor, und es kommt zu allergetischen Scheusslichkeiten, zu Pickeln im Gesicht, zu Fussschweiss und Nesselfieber. Weiss der Himmel, wie viele laufen herum, sind gelb im Gesicht und haben Ringe unter den Augen, und man denkt, sie hätten ein verdorbenes Ei verschlungen, und dabei war es ein Buch!

Ludwig Harig
(gefunden in: Tintenfisch, Wagenbach)