Dienstag, 26. November 2013

theatertod

Leeres Theater. Auf der Bühne stirbt
Ein Spieler nach den Regeln seiner Kunst
Den Dolch im Nacken. Ausgerast die Brunst
Ein letztes Solo, das um Beifall wirbt
Und keine Hand. In einer Loge, leer
Wie das Theater, ein vergessenes Kleid.
Die Seide flüstert, was der Spieler schreit.
Die Seide färbt sich rot, das Kleid wird schwer
Vom Blut des Spielens, das im Tod entweicht.
Im Glanz der Lüster, der die Szene bleicht
Trinkt das vergessne Kleid die Adern leer
Dem Sterbenden, der nur sich selbst noch gleicht
Nicht Lust noch Schrecken der Verwandlung mehr
Sein Blut ein Farbfleck ohne Wiederkehr.

Heiner Müller
(gefunden in: Ende der Handschrift, Suhrkamp)