Donnerstag, 5. Dezember 2013

der letzte elefant

Ich bin der letzte Elefant.
Vor hundert Jahren fand
Mich ein schwarzer Prinz und band
An seinen Traum mich fest.
Der Prinz ist tot. Und meine Haut
Ist schwarz, vom Wetter angeraut.
Auf meinem Rücken war ein Haus gebaut –
Dort sass mein Prinz und hielt mich fest.
Ich konnte tanzen. Ich war leicht.
Man hat mich einst von Hof zu Hof gereicht:
Seht diesen Elefanten, dem kein andrer gleicht!
Und zog mir bunte Decken über für das Fest.
Dann kam der Brand, der Elefantentod.
Die Wälder sanken ein, und auch die Märchen starben.
Die Häuser wurden schwarz, die Erde rot –
Das letzte Fest war wild in seinen Farben.
Die Prinzen starben und die Löwen auch.
Die Tore schlugen zu, das Reich zerfiel.
Der Zauberer versuchte es mit Götterrauch,
Doch jenem Gott war's nur ein Spiel.
Ich bin der letzte Elefant.
Mein Prinz ist tot. An einem Strand,
Wo ich die Wälder nicht mehr fand
Hüt ich den letzten Baum.
Da singt kein Vogel. Nur der Wind.
Und Sand macht meine Augen blind.
Vielleicht nimmt einmal doch ein Kind
Mich mit in seinen Traum.

Peter Härtling