Auf dem Dezember-Bahnsteig in der ersten Stunde nach Mitternacht
dein Bild in die Kälte geschnitten,
mit hellem Mantel, den Schal übers Haar getan,
und einem im Abschied leuchtenden Gesicht!
Ich erfinde dich noch einmal im Augenblick der Trennung,
dunkel vor Zärtlichkeit und dem Verlangen nach Glück,
mit einer von Zuneigung leisen Stimme
in der winterlichen Frostluft.
Ich erfinde dich noch einmal: geschaffen nun,
um mit mir zu gehen, einem anderen:
Mann mit hochgeschlagenen Mantelkragen,
der das Fenster im Fernzug-Abteil herunterlässt und winkt.
Du bleibst zurück, auf Fluten grauen Windes treibend,
zurück mit Umarmung und Kuss und dem Geruch deiner Haut.
Das schwarze und weisse Schachbrett der Schneenacht
liegt über deinem Gesicht; und ich weiss,
dass nichts an dir für mich bestimmt ist.
Karl Krolow
Gedicht für J.S.
(gefunden in: Der ewige Brunnen, C. H. Beck)