Sonntag, 4. November 2012

den mond herholen

Da draussen ist frühe Nebelnacht,
Sie hat den Tag um Stunden bestohlen,
Hat aus den Fenstern Laternen gemacht.
Ich möchte mir den Mond herholen,
Dass ich einen hätt', der ewig lacht,
Denn die Nacht ist wie ein schwarzes Bett.
Dort hat der Tod, wie auf Lagern aus Kohlen,
Gedankenlos als Dieb seine Ruhestätt'.
Weiss nicht, ist die Stadt draussen klein oder gross,
Ob Menschen drin haussen, oder bin ich allein,
Denn ein jeder Tag schwarz wie der Fluss fortfloss,
Und beklagt gingen viele zur Nacht hinein.
Auch Vater und Mutter haben gefragt,
Und niemanden wurde der Weg gesagt.
Auch Vater und Mutter wurden zu Stein,
Ein Stein, der sich über dem Grabe schloss.
Drauf lese ich heut' ihre Namen bloss,
Nur noch die Namen sind beide mein.
Woher sie kamen, wohin sie gingen, –
Ich kann die Nacht nicht zum Reden zwingen.

Max Dauthendey
(gefunden in: Lieder der Vergänglichkeit, Albert Langen)