Ja es war hübsch für mich, mich nach der Göttin
zu sehnen, alle Plätze, alle Strassen hatten
ein Ansehn wie von reicherer Lebendigkeit.
Wie war's mir mannigfaltig in der Seele, seit
ich sie für auserlesen herrlich hielt,
obschon ich offenherzig zu mir sprach: "Sie schielt."
Das Fehlen der vollkommenen Schönheit
gab mir zu glauben den Grund, sie sei die Schönste,
da Zärtlichkeit ja doch die Bildnerin
selbst ist. Wie kühl ist mit der Zeit das Herz mir
geworden. Habe ich den Schmerz vergessen,
der eigentlich das sonnigste im Leben ist,
woran ich mich erquicke, wie ich noch an keinem
Vergnügen hing? Wann ging die feine Stäubung
dem Schmetterling in mir verloren?
Wann fing es an, wann, wo begann, was mich
entfärbte, wehalb war's mir eines Tages nicht
mehr möglich, süss um sie zu sterben, so
wie Liebende den blumenduftenden
Tod verstehen? Sieht für mich nun alles wie
entzaubert aus, doch müssen nicht die andern
auch lieblos durch das lange Leben wandern?
Was fiel mir schönheitstrunkener Seele ein?
Robert Walser