Sonntag, 18. September 2016

auf den ersten blick

Eigentlich hat sich nichts verändert:
Die Kastanie vor dem Haus, vom Efeu gemartert,
die Pflaumenbäume auf ihrem blauen Teppich,
der süsse Geruch der Kindheit und des Verfalls.
Vom Tal herauf dröhnen die Laster,
und der Schatten läuft eilig ums Haus,
gegen die Zeiger der Uhr, und prüft den Kummer.
Sogar der Brunnen steht noch wie ein Gedicht.
Als ich hineinsah, grüsste von unten, vom Grund,
ein Gesicht, von Fröschen in Falten gelegt.
Sein Mund stand weit offen, als wollte er schreien.
Nur die Wege ums Dorf haben sich vermehrt,
und einer führt geradewegs durch mein Herz.
Aber sonst hat sich nichts verändert.

Michael Krüger