Montag, 4. August 2014

lichte welt

Nacht ist es. Nun redet lauter – alles, was zu dir redet. Nun will  alles schweigen, was von aussen ist. Was sitz ich hier vor meinem weissen Papier, allein und sehr entrückt .. Nur von dir bin ich erfüllt, alles Nahe ist mir fern, nur du Ferne bist mir nah ...
Ich bin so müde. Vierzehn Stunden war ich unterwegs, sah unendlich viel, hatte tausenderlei zu tun, glaubte, dass ich viel erlebt. Und wie ich, im Quartier angelangt, zwei Briefe von Dir fand, die beiden ersten, und alles Süsse, Dein lichtes Ich aus ihnen trank, – da war alles reale Erleben fort, unwichtig, klein – nur du bist zugegen.
...
Nein, ich kann nichts erzählen. Ich käm mir wie ein Reporter vor. Ich kann Dir nur sagen: Mein Herz ist ganz voll von Dir allein, und ich will mit Dir und meinen Gedanken an Dich allein bleiben.
Gute Nacht, liebste Frau, meine Welt, lichte Welt.

Kurt Wolff
(Brief des Verlegers an seine Frau Elisabeth Wolff. 8/9.5.1915 nachts)